Yamaha TG77 – Lost and found
Im Jahr 1983 revolutionierte Yamaha den Synthesizer-Markt mit dem DX7. Mit seiner neuartigen FM-Synthese ließen sich sehr dynamische Sound erzeugen, zu dieser Zeit sogar recht ordentliche Imitate von Naturinstrumenten. Der Haken war seine, höflich ausgedrückt, diffizile Programmierung, die ohne tiefgreifende Kenntnisse der FM-Synthese nicht möglich war. Diese hier zu erklären, würde den Rahmen sprengen, Dr.Google kennt sich da besser aus.
Der Ruf nach naturgetreuen Imitaten von Klavieren, Streichern, Chören, Bläsern und ähnlichem Zeugs wurde im Laufe der 80er Jahre immer lauter. Eine Korg M1 Workstation und der Roland D50 waren die passenden Antworten darauf. Die FM-Synthese schien ausgedient zu haben, insbesondere, da vorgenannte Geräte um ein vielfaches einfacher zu programmieren waren. Man kam einfach schneller ans Ziel. Grundlagen der Tonerzeugung waren nun Samples, die jedoch die Flexibilität in der Klangprogrammierung damals in der Form stark einschränkten.
Um Hier am Ball zu bleiben, brachte Yamaha 1989 den SY77 als Nachfolger des DX7 heraus. Neben einer erweiterten FM-Synthese gab es hier nun auch Samples als Grundlage der Klangerzeugung. Beide konnten sogar miteinander kombiniert werden!
Im Jahr 1990 erschien dann der TG77 als Expander, also einer tastaturlosen Variante des SY77.
Der Sample-RAM betrug damals 2MB, womit man natürlich keinen Staat machen konnte, insbesondere, weil hier ein Großteil des RAM für das Piano-Sample „draufging“. Bei einem Großteil der Samples handelt es sich um Attack-Samples von Naturinstrumenten wie Streicher, Bläser, Glocken und Flöten.
In Verbindung mit der FM-Synthese treten dabei jedoch erstaunliche Ergebnisse zu Tage, die Yamaha klanglich wieder in die erste Reihe brachte.
Meinen TG77 erwarb ich im Jahr 1997 in einem Musikgeschäft im niederländischen Roermond, welches auch gebrauchte Geräte verkaufte – damals immer noch für einen stolzen Preis von 1.400,- DM (Deutsche Mark, Währung aus dem letzten Jahrhundert – die Älteren kennen sie noch :-)).
Alleine beim Durchprobieren der Werksound bekam ich damals feuchte Augen (und Ohren), alleine schon die Sounds, die das interne Chor-Sample „Itopia“verwendeten – da konnte der Roland D50 beispielsweise einpacken!
War der DX7 am Gerät schon schwer zu programmieren, lag beim TG 77 die Hürde noch einige Meter höher. Wurde beim DX7, kurz gesagt, ein Sound programmiert, waren es hier stolze 4!
Ohne einen Software-Editor am Rechner ist man hier ziemlich aufgeschmissen. Den gab es jedoch Ende der 90er/Anfang der 00er-Jahre in Form des Emagic Sounddiver. Mit diesem konnte man komfortabel alle möglichen Hardware-Synnthesizer am Rechner editieren und sich eigene Soundbibliotheken anlegen.
Am 1.Juli 2002 wurde Emagic von Apple übernommen – Logic gab es fortan nur noch für den Mac und der Sounddiver wurde eingestellt (damals besaß ich noch einen Windows-Rechner).
Zu dieser Zeit befanden sich schon virtuelle Instrumente, also Software für den Rechner auf dem Vormarsch, die bis heute immer besser, effizienter und klanglich an die alten Vorbilder heranreichen. Lediglich für den Yamaha SY77/TG77 und dessen Nachfolger SY99 gab und gibt es bis heute keine Alternative auf Softwarebasis. Gleichwohl gibt es zig Sample-Bibliotheken, in denen sämtliche berühmte Sounds der Geräte enthalten sind. Auf Grund der Unflexibilität von Samples und der äußert dynamischen Spielweise von FM-Sounds ist das allerdings ein äußerst schwacher Trost.
Ich habe mich im Laufe der Jahre von einer Menge Hardware-Geräten getrennt, geblieben ist aber immer der TG77. Ich habe es nie übers Herz gebracht, diesen tollen Synthesizer in die ewigen Jagdgründe einziehen zu lassen.
Gäbe es doch nur die Möglichkeit, diesen Traum-Synthesizer mit einer geeigneten Software am Rechner zu bedienen … Voraussetzung ist natürlich hier eine Software, die auf dem Mac läuft!
Die Lösung fand ich in dem Editor „Patch Base„. Diese Software läuft unter anderem auf dem Mac und auf iOS. Der Haken an der Sache: Das kostet Geld! Das Programm ist grundsätzlich kostenlos, einzelne Editoren für verschiedene Hardwaregeräte kosten ca. $40,-.
Lohnenswert ist das Programm allemale. Zu beachten ist hier lediglich, dass man ein MIDI-Interface benutzt, dass sog. SysEx (System-exclusive) Daten verarbeiten kann; billige Geräte, die es für ein paar Taler im Onlinehandel gibt, müssen dabei passen und das Editieren der Sounds, bzw. die Datenübertragung vom und zum Gerät funktionieren nicht reibungslos. Auf der Seite von „Patch Base“ gibt es jedoch Infos, welche MIDI-Interfaces sich für den Betrieb des Programmes eignen.
Dankenswerterweise lassen sich Sounds und Soundbänke im SysEx-Format problemlos „Patch Base“ importieren, so dass hier eine riesige Anzahl von Sounds und Soundbänken, die es (teilweise) frei im Internet gibt zur Verfügung stehen.
Auch nach knapp 30 Jahren hat dieses Gerät, insbesondere die FM-Synthese noch lange nicht ausgedient und es lassen sich immer noch kraftvolle und dynamische Sounds erzeugen, bei der so manches virtuelle Instrument selbst heute passen muss.
Die FM-Synthese ist eher ein Synonym für „kalte“ Klänge – hier besteht jedoch die Herausforderung, dem Instrument warme, analoge Klänge im Stil eines Minimoog zu entlocken. Auf Grund der flexiblen Klangerzeugung des Instrumentes ist das eine Herausforderung, die der SY77/TG 77 hier jedoch mit Bravour meistert.
Ein empfehlenswertes Album mit ein paar tollen Klängen des SY77/TG77, sowie des SY99 ist „Beneath The Mask“ von der Chick Corea Electric Band.
Hier ein kleines Stück, dass ich bis auf die Drum-Sounds ausschließlich mit Klängen aus dem Yamaha TG77 aufgenommen habe. Die Drum-Sounds und die internen Effekte des TG77 sind die Achillesferse des Synthesizers – bedingt brauchbar, um es höflich auszudrücken. Hier wurden zur weiteren Bearbeitung im Rechner hauptsächlich Plug-Ins von Plugin-Alliance und der Valhalla VintageVerb genutzt.
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