Project Indigo

Das klingt zunächst sehr geheimnisvoll! Was um alles in der Welt ist das nun wieder? Kommen jetzt die Außerirdischen, hat die NSA eine neue Spionagesoftware geschrieben oder färbt Donald Trump seine Haare nun tiefblau?
Nichts von all dem ist Gott sei Dank der Fall. Bei diesem Projekt handelt es sich um eine Kamerasoftware aus den Adobe Labs, die die Fotografie auf Mobiltelefonen auf ein neues Level in die Nähe von Spiegelreflexkameras heben will. Die Software ist zunächst nur für Apple iPhones ab Modell 12 erhältlich; eine Android-Version ist laut Adobe in Planung.
Der besondere Ansatz hier ist laut Adobe der Fokus auf sog. Computational Photography. Die App kann bis zu 32 Einzelbilder aufnehmen und kombiniert diese zu einem Foto mit „deutlich reduziertem Bildrauschen und erhöhtem Dynamikumfang“. Die kostenlose App nutzt ein neues, innovatives Verfahren, bei dem bis zu 32 dieser Einzelbilder erfasst und zu einem finalen Foto zusammengerechnet werden. Dieses Multi-Frame-Verfahren reduziert, wie gesagt, das Bildrauschen erheblich und erweitert den Dynamikumfang – selbst bei schwierigen Lichtverhältnissen entstehen so detailreiche Aufnahmen. Dabei unterbelichtet die App die Aufnahmen stärker als übliche Kamera-Apps, was zu besseren Ergebnissen bei den Lichtern führt. Weiterhin verfügt die Software über eine Reflect Removal Funktion, die Spiegelungen entfernt, die beispielsweise beim Fotografieren durch Fensterscheiben entsteht und eine AI-Denoising, eine Funktion zum Entrauschen der Bilder, die auf künstlicher Intelligenz beruht. Je nach iPhone-Modell enthält die Software einen bis zu zehnfachen Zoom (bei meinem iPhone 14 leider nur einen 2-fach Zoom) und einen Nachtmodus, in dem man Belichtungsreihen erstellen kann.
Fotos, die mit Mobilgeräten gemacht werden, sehen auf dem Bildschirm derselben umwerfend gut aus. Betrachtet man sie jedoch auf einem großen Computerbildschirm, fällt sofort eine übertriebene Tonwertanpassung, erhöhte Sättigung und Schärfung auf, die die Bilder dann nicht mehr so toll aussehen läßt und beim Betrachten anstrengt. Hier ein Beispiel mit der iPhone-Kamera und einem bearbeiteten Project Indigo Foto. Insgesamt ist das Ergebnis aus Project Indigo in meinen Augen weitaus harmonischer und angenehmer fürs Auge, insbesondere wenn man die Aufnahme auf einem großen Bildschirm betrachtet! Ebenso kann man eine deutlich detailliertere Farbtrennung beobachten.


Hier setzt das Project Indigo an. Aufnahmen lassen sich im JPG-Format und im Rohdatenformat DNG speichern. Die JPG-Aufnahmen werden automatisch in Apple Fotos gespeichert, die DNG-Version kann man bei Bedarf an Adobe Lightroom als HDR-Bild exportieren, wenn man diese App auf dem iPhone verfügbar hat. Nutzt man dazu die Desktop-Version von Lightroom, offenbart sich die Qualität der Bilder erst richtig, wenn man diese auf einem Computerbildschirm betrachtet und bearbeitet.
Die DNG Versionen sind prädestiniert zur Nachbearbeitung in Adobe Lightroom, da sie die zuvor gespeicherten Multi-Frames enthalten. Dazu legt Adobe ein eigenständiges Kameraprofil an, das zunächst etwas flauer als die JPG-Version aussieht, aber dafür wesentlich mehr Spielraum in der Bearbeitung bereitstellt. Nutzt man zur Bearbeitung andere Kameraprofile, wie ich, muss man bei der Bearbeitung etwas Vorsicht walten lassen, da die Fotos, insbesondere im HDR-Bearbeitungsmodus deutlich an Kontrast und Helligkeit, besonders in den hellen Bildbereichen gewinnt.
Die Bedienung von Project Indigo orientiert sich an den bekannten Elementen eine Spiegelreflexkamera – es lassen sich Belichtung, ISO-Werte, Weißabgleich, Fokus und Verschlußzeit manuell einstellen. Sehr interessant ist zudem die Möglichkeit, die Anzahl der aufzunehmenden Frames zu bestimmen – ein Feature, das es in dieser Form bisher nicht gab.
Nach ein paar kurzen Tests wird klar, dass die Aufnahmen wesentlich harmonischer aussehen als die Pendants, die mit der iPhone-Kamera erstellt wurden, sogar Aufnahmen, die man direkt aus Adobe Lightroom im Rohdatenformat anfertigt, können hier nicht mithalten. Wo viel Licht ist, ist leider auch noch ein wenig Schatten. Die App „saugt“ förmlich an der Batterie des iPhones, das Gerät wird sehr heiß und es gibt auch nicht seltene Abstürze der Software. Für eine Software in diesem frühen Entwicklungsstadium sollte man jedoch darüber hinwegsehen, die Ergebnisse sprechen für sich. Hier gibt es mit Sicherheit eine spannende Entwicklung zu beobachten. Geplant sind weitere Features wie ein Portrait-Modus und eine Version für die Android-Fraktion.
Am Wochenende habe ich bewusst meine Canon 80D zu Hause gelassen und nur mit der neuen App fotografiert, sowie in Lightroom bearbeitet. Hier ein paar Beispiele: Radtour Baarlo-Panningen-Neer.
In den nachstehenden Slidern sind die Unterschiede zwischen der iPhone-Kamera und der Project Indigo-App deutlich zu sehen. In den ersten beiden Bildern aus unserem kleine Zaubergarten wurden keine Nachbearbeitungen vorgenommen. Die folgenden DNG-Aufnahmen wurden in Lightroom mit dem Indigo-Profil und automatischen Einstellungen (links) und mit einem Kodak Vision 3 50D-Profil aus Color.io im rechten Bild bearbeit.




Download von Project Indigo im Apple App-Store.
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