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ESC 2025

Am 17.05.2025 war es wieder soweit, halb Europa traf sich in Basel um den European Song Contest auszutragen. Der deutsche Beitrag entstand unter der Federführung von Stefan Raab und verhieß zunächst nix Gutes, was sich jedoch im Verlaufe des Abends als Irrglaube erwies.

Immer, wenn man sich an Samstagen etwas vornimmt, kommt es anders als man denkt. Wir waren bei Freunden zum Frühstück verabredet. Es war schön, es war gemütlich, das Wetter war einladend, wir saßen nach dem Frühstück lange auf der Terrasse, der letzte Bundesligaspieltag zog an uns vorüber, ich war äußerst erbaut über die Heimniederlage meiner Borussia gegen Wolfsburg und so beschlossen wir, an diesem Abend noch gemeinsam den ESC zu schauen. Nicht jedoch ohne eine Stärkung, die uns von Biggis Burger aus Krefeld geliefert wurde. Ein Highlight – der Burger!

Um 21:00 ging das Schauspiel nun los, Tivoli-Lichterspiele und kreischende Moderatorinnen, Michelle Hunziker eingschlossen. Wenn man dann nach geraumer Zeit merkt, dass der originellste Beitrag aus Estland kommt, Espresso Macchiato heißt und von einem Tommy Cash dargeboten wird, der `ne Krawatte wie Trump trug, dann merkst Du, dass hier was aus dem Ruder läuft. Erste Suizidgedanken musste man bei dem Beitrag Litauens zur Seite wischen. Einzig bemerkenswert der spannungsgeladene Auftritt Isreals, dargeboten von einem Opfer des 7.Oktober 2023, vorgetragen in Englisch, Französisch und Hebräisch.

Auftritt Österreich. Wir rieben uns nur die Ohren …
Was war das? Schön, der Typ konnte singen, dass er schwul ist, … geschenkt. Wir sind in einer Generation mit Boy George, Grace Jones, Amanda Lear und anderen groß geworden. Was die nun waren, Männlein oder Weiblein oder was auch immer, hat uns wenig interessiert, wir fanden die einfach nur toll mit dem, was sie uns dargeboten haben.
Aber das hier sprengte unseren Rahmen. Schön, dass der Typ in den höchsten Tönen singen kann, dass er für die LGBTQ+ – Bewegung singt. Was wir uns fragten war, WO man dieses Lied hören kann. Wenn man es im Auto hört und kommt in eine Verkehrskontrolle, wären da Drogen- und Alkoholkonsum unserer Ansicht nach ein nachgelagertes Problem.
Würde man das auf einer Party spielen, wäre es der perfekte Rausschmeißer.
Zieht man es in Betracht, das Lied im Fitness-Studio zu hören, hätten die anderen Besucher vermutlich Angst, dass sogleich ein Amoklauf stattfindet.

Kurz und knapp, um es einmal mit den Worten des berühmten Franz Münchinger, aka Monaco Franze aus München zu zitieren: „A rechter Scheißdreck war’s„.

Was im Laufe des Abends folgte, war an Peinlichkeit nicht zu überbieten. Finnland – „Ich komme“ – alter Finne, kannste Dir nicht ausdenken. Portugal – grenzdebil. England – wollte zwischen Beatles, Kinks und Oasis alles rauskitzeln was es gab – niemand hat es kapiert und die 3 Tanten von der Insel wohl auch nicht. Armenien – ein Highlight für die Damen, aber außer lautem Gedengel nichts erwähnenswertes. Italien war ganz nett, der Sänger kam optisch wie eine Mischung aus den frühen Brian Eno, Peter Gabriel und David Bowie, ohne musikalisch den Hauch einer Chance zu haben. San Marino ebenfalls nett, wenigstens ein bisschen gute Laune. Beim ukrainischen Beitrag war man zunächst verleitet zu glauben, die hätten den Kampfterrier der Splitterpartei FDP, Agnes Strack-Zimmermann als Frontfrau verpflichtet.

Es folgten die Wertungen der Jury – Österreich, Frankreich und die Schweiz gingen ab wie die Raketen. Wir stellen uns lediglich die Frage, ob sämtliche Juroren zuvor Insassen einer geschlossenen Psychiatrie waren. Der deutsche Beitrag kam dabei relativ ungeschoren davon, hat er zumindest etwas gute Laune verbreitet und hat nicht wirklich weh getan.

Das folgende Publikumsvoting stellte sodann einiges auf den Kopf. Israel ging steil. Richtig war das. Es war in allererster Linie ein politisches Voting. Wurde zuvor gekräht, dass Israel doch bitte vom Wettbewerb ausgeschlossen werden sollte, antwortete das internationale Publikum mit den meisten Stimmen darauf, auch aus Deutschland! Starkes Zeichen. Proteste gegen eine Überlebende des Hamas-Massakers – kannste Dir nicht ausdenken! Dass dann Österreich auf Grund der hohen Votings der Juroren dennoch den ersten Platz belegte, war unumgänglich.

Dass bei dem Auftritt der israelischen Sängerin Vuval Rapahel zwei Personen versuchten die Absperrungen zu durchbrechen um den Auftritt zu stören und der spanische Sender RTVE zuvor eine Solidaritätsbekundungen für die Menschen in Gaza einblendete, blieb leider von allen Medien unerwähnt. Bedauerlich!

Der ESC war immer in Teilen politisch und wird es wohl immer sein, selbst Nicoles „Ein bisschen Frieden“ war in seiner Zeit vor dem Hintergrund des NATO-Doppelbeschlusses und des kalten Krieges nicht ganz unpolitisch. Auch der diesjährige Siegertitel ist es mit seinem LGTBQ+ – Hintergund nicht. Im Angesicht der Präsidentschaft des Herrn Trump und seiner rechten Klaquere in Europa ist das auch alles gut und richtig. Meiner Ansicht verkommt das aber alles nur zu einem reinen Selbstzweck. Freilich keine ESC-Titel haben Stücke wie John Lennons „Imagine“, Queens „39“ oder Supertramps „Fool‘s Overture“ auch nach einem halben Jahrhundert nichts von ihrer Aktualität verloren – sie werden heute immer noch gespielt und verursachen bei dem einen oder anderen immer noch Gänsehaut. Bei dem diesjährigen Siegertitel habe ich meine Zweifel, dass unsere Enkel sich in 50 Jahren noch daran erinnern und sich so etwas noch anhören werden. Spielt man heute den ersten halben Takt des 1974er Siegertitels „Waterloo“ sieht das ganz anders aus. Jeder weiß, was jetzt kommt und jeder wippt automatisch mit im Takt. Das sind Siegertitel!


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